Pädagogische Potenziale der E-Portfolio-Arbeit

Ein wichtiges Prinzip hatten wir bereits im Teil „E-Portfolio-Arbeit als Konzept in der Beruflichen Orientierung“ festgehalten: Portfolios und E-Portfolios haben sowohl Prozess- als auch Produktcharakter. Übertragen auf den pädagogischen Kontext ergeben sich dadurch allein schon viele Anknüpfungspunkte für den Einsatz beim Lehren und Lernen. Und darauf soll jetzt genauer eingegangen werden. Wir betrachten also gemeinsam, was den Einsatz von Portfolios und E-Portfolios pädagogisch ausmacht. Dazu sind im folgenden acht Statements aus der Portfolio-Forschung aufgeführt, die dargestellt und diskutiert werden. Sie als Pädagoginnen und Pädagogen werden dabei wahrscheinlich sofort Ansätze für ihre eigene Arbeit mitnehmen.

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Die Arbeit mit E-Portfolios bietet zahlreiche gewinnbringende Potenziale, die insbesondere für das Themenfeld der Beruflichen Orientierung gewinnbringend genutzt werden können

Erstes Statement: Portfolios bieten die Gelegenheit, etwas über das Lernen zu lernen. Und das gleich sozusagen in doppelter Bedeutung: Einerseits haben Schülerinnen und Schüler die Chance bei ihrer Arbeit mit einem Portfolio ihren eigenen Lernprozess nachzuzeichnen und dadurch natürlich immer auch zu reflektieren: Was hat mich weitergebracht, was nicht? Wofür interessiere ich mich? Wo müsste ich mich in Zukunft noch mehr informieren? Das alles sind Fragen, die man innerhalb der Portfolio-Arbeit vor Augen geführt bekommt und die gleichzeitig durch die Portfolio-Arbeit auch beantwortet werden können. Zwei Fliegen, eine Klappe! Ihre Schülerinnen und Schüler lernen etwas über sich und ihren eigenen Weg und das ist super viel wert! Andererseits werden Sie als Lehrkräfte natürlich auch etwas über das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler lernen. Wer kann was besonders gut? Wo gibt es bei welchen Personen noch besonderen Unterstützungsbedarf? DAs sind Fragen, die sich ihnen als Pädagoginnen und Pädagogen eh stellen und auf die Sie unter Umständen bisher nur schwer eine Antwort gefunden haben. Portfolios können auch hier super helfen, denn sie sind für Sie als Lehrkräfte ein diagnostisches Instrument!

Zweites Statement: Portfolios werden von Lernenden gemacht und nicht von Ihnen als Lehrkräfte für ihre Schülerinnen und Schüler! Soll heißen: Ihre Schülerinnen und Schüler entwickeln und gestalten ihr eigenes Ding! Was dem einen gefällt, mag für den anderen total uninteressant sein. So unterschiedlich wie die Persönlichkeiten Ihre Schülerinnen und Schüler sind, so werden auch ihre Portfolios sein. Das ist aber auch klar, denn jede bzw. jeder erlebt Dinge einfach unterschiedlich. Das bedeutet für Sie als Lehrkraft: Nutzen Sie die Chance der Vielfalt, gestalten Sie die Portfolio-Arbeit im Unterricht und auch darüber hinaus nicht zu regulativ. Lassen Sie Kreativität zu, denn nur so können ihre Schülerinnen und Schüler tatsächlich ihr eigenes Ding daraus machen!

Drittes Statement: Portfolios sind eigenständige Arbeiten und nicht bloß Sammelmappen. Das heißt: Allein das Sammeln und „abheften“ oder „abspeichern“ macht noch lange kein Portfolio! Aus den gesammelten Artefakten, Erfahrungen und Informationen muss mehr werden als nur eine unsortierte Zusammenstellung. Gerade im Kontext der Beruflichen Orientierung bieten sich hierfür super viele Anknüpfungspunkte. Das reicht von der kreativen Aufbereitung von Bewerbungsmappen, die beispielsweise mit Hilfe der futureBOx auch um digitale Informationen angereichert werden können bis hin zu Zusammenstellungen von coolen Dingen, die die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler in besonderem Maße widerspiegeln und die dadurch authentisch sind. Außerdem können Aufbereitungen dazugehören, die gemachte Erfahrungen auch einmal kritisch durchleuchten. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Was daraus werden kann, haben Sie als Lehrkräfte maßgeblich in der Hand, denn Sie sind es, die über eine entsprechende Unterrichtsgestaltung ihre Schülerinnen und Schüler motivieren können.

Viertes Statement: In Portfolios müssen explizit oder implizit die Arbeiten der Lernenden sichtbar werden. Und das ist etwas, wobei Sie ihre Schülerinnen und Schüler sicherlich unterstützen müssten. Die bloße Aneinanderreihung von ausgefüllten Arbeitsblättern wird im Sinne der Portfolio-Arbeit nichts sein, was besonders wertvoll ist. Das was Schülerinnen und Schüler an Eindrücken und Erfahrungen aus Betriebsbesichtigungen oder Praktika, auf Klassenausflügen oder bei spannenden Lernprojekten mitnehmen hingegen schon. Und hier können wunderbar die Potenziale digitaler Medien didaktisch gewinnbringend eingesetzt werden. Lassen Sie ihre Schülerinnen und Schüler doch auf Betriebsbesichtigungen oder während Praxisphasen mit der futureBOx die für sie wichtigen Dinge digital festhalten – zum Beispiel auf Fotos oder in Form von kleinen Video-Sequenzen. Auch diese Dinge lassen sich mit der futureBOx im Sinne der Portfolio-Arbeit sinnvoll nutzen.

Take 6: Fünftes Statement: Portfolios und deren Einsatzzweck können sich über die Zeit hinweg durchaus verändern. Insbesondere in der Beruflichen Orientierung ist das der Fall. In niedrigeren Klassenstufen, z.B. in der 7. Klasse geht es vielleicht erst einmal darum, sich mit den eigenen Wünschen und Neigungen zu beschäftigen, Berufsfelder kennenzulernen und abzuwägen, welche Tätigkeitsbereiche individuell von Interesse wären. In höheren Klassenstufen, z.B. in der 9. oder 10. Klasse, oder gar in der Gymnasialen Oberstufe, geht es dann schon viel konkreter um den Übergang in die Berufs- und Arbeitswelt. Hier spielt die Konkretisierung der eigenen beruflichen Laufbahn eine wichtige Rolle. Hier geht es eventuell darum, einen Studienplatz zu bekommen und fortan Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Das bedeutet: Über die Zeit wird sich auch der Fokus in der pädagogischen Zielsetzung verändern. In der Arbeit mit Portfolios ist genau dieser Veränderungsprozess etwas, das auch deutlich herausgestellt werden kann.

Sechstes Statement: Portfolios können mehreren Zwecken zur gleichen Zeit dienen. Wenn Schülerinnen und Schüler in ihren Portfolios die für sie wichtigen Dinge im Unterricht und im Idealfall auch darüber hinaus sammeln, können zu unterschiedlichen Anlässen auch unterschiedliche Materialien aus dem Portfolio genutzt werden. Für eine Bewerbungssituation werden andere Materialien und Informationen benötigt, als für die Vorbereitung eines Messebesuchs. Informationen zu beiden Anlässen sind aber in ein und demselben Portfolio verfügbar und können bezogen auf die anstehenden Aufgaben zielgerichtet zusammengestellt werden.

Siebtes Statement: Portfolios enthalten Informationen, die einen individuellen Entwicklungsprozess veranschaulichen. Und diese Veranschaulichung ist in erster Linie natürlich für einen selbst wichtig, um sich vor Augen zu führen: Hey, das bin ich, das macht mich aus, das sind meine Stärken und meine Schwächen. Die Veranschaulichung kann aber natürlich auch für andere Personen wichtig sein, denen ihre Schülerinnen und Schüler bestimmte Ausschnitte daraus präsentieren möchten. Das können im Kontext der Beruflichen Orientierung zum Beispiel Sie als Lehrkräfte sein. Das können Berufsberaterinnen und Berufsberater sein. Das können auch Eltern oder die Peer-Group sein. Über konstruktives Feedback erhalten Ihre Schülerinnen und Schüler zusätzliche Eindrücke aus ihrem sozialen Umfeld – und hier wissen wir aus der Berufsorientierungsforschung, dass das einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung von Berufswahlkompetenz hat.

Achtes Statement: Lernende benötigen bei der eigenen Portfolio-Arbeit Unterstützung. Hier kommen Sie als Pädagoginnen und Pädagogen in’s Spiel. Ihre Rolle als Lehrkräfte ist in der Portfolio-Arbeit jedoch etwas anders gelagert als man es vielleicht im konventionellen Sinne kennt. Wenn ihre Schülerinnen und Schüler in ihren Portfolio individuell arbeiten, ihre Positiv- wie auch Negativerfahrungen dokumentieren, etwas daraus lernen und im Idealfall dazu angeregt werden, eigene Schlüsse für die eigene Zukunft zu ziehen, dann sind Sie als Lehrkräfte die Lernbegleiter. Sie können ihren Schülerinnen und Schülern die Mittel und Wege aufzuzeigen, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie sind als Pädagoginnen und Pädagogen sozusagen die Stützräder, die beim Fahrradfahren einfach da sind, um in entscheidenden Situationen einen Sturz zu vermeiden und den eigenen Weg weiter bestreiten zu können. Aber Fahrradfahren müssen eben nicht Sie als Lehrkräfte lernen, sondern ihre Schützlinge. Sie als Lehrkraft sind beratende Coaches, Sie können Hinweise geben, Sie können durch ihre Unterrichtsgestaltung Bedingungen schaffen, in denen Ihre Schülerinnen und Schüler die Kompetenzen erwerben, die sie brauchen. Un wenn Sie dabei mit Portfolios arbeiten wollen, kann das ein Baustein sein, mit dem das gelingen kann.

Seien sie mutig und probieren den Portfolio-Ansatz selbst einmal aus. In ihm steckt eine ganze Menge pädagogisches Potenzial, das insbesondere in der Beruflichen Orientierung sehr sinnvoll eingesetzt werden kann.